Rückblick auf die Jahrestagung der Martin-Heidegger-Gesellschaft

Vom 19. bis zum 21. September 2025 fand in Meßkirch die Jahrestagung der Martin-Heidegger-Gesellschaft statt. Die im zweijährigen Turnus veranstaltete Konferenz rückte diesmal das Thema „Heidegger und die Frage nach dem Nihilismus“ in den Blickpunkt, und ganz entgegen dem, was der Begriff des Nihilismus gemeinhin nahezulegen vermag – Verkümmerung von Sinn und Bedeutung –, gab die Veranstaltung ein eindrucksvolles Beispiel für die Lebendigkeit und Pluralität der Zugänge und Standpunkte ab, die das Nihilismusthema im Verbund mit Heideggers Denken eröffnet. Dass die Tagung in Heideggers Geburtsstadt stattfand, genauer im wunderschönen Festsaal von Schloss Meßkirch, und eine Vielzahl interessierter Gäste dazustieß, trug sein Übriges zu einer Atmosphäre tiefen und lebendigen Austauschs bei, in die die Tagung eingehüllt war.
Der erste Konferenztag verband zur Einführung allgemeinere, historische mit konkreteren, lebensnahen Perspektiven – Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski, Vorsitzender der Martin-Heidegger-Gesellschaft und Philosophieprofessor in Erfurt, eröffnete die Konferenz am Nachmittag des 19. Septembers mit einem Vortrag zu Heideggers Bild vom Nihilismus als Vollendung der Metaphysik und richtete seinen Blick dabei immer wieder auch auf die Denkentwicklung Heideggers und die Aktualität der Frage nach dem Nihilismus. Dies erlaubte ihm nicht nur, die These vom Nihilismus als Höhepunkt einer jahrtausendlangen Tendenz der europäischen Metaphysik, das Sein in seinen Analysen auf bloß dinglich existierendes Seiendes zu reduzieren, zu rekonstruieren, sondern auch auf die Technik und ihre konkreten Risiken zu sprechen zu kommen. Dies schlägt die Brücke zum anschließenden Vortrag von Prof. Dr. Jesús Adrián Escudero (Barcelona), der die Technik und die Gefährlichkeit ihrer verwaltenden, berechnenden Logik im Hinblick auf einen authentischen Lebensvollzug in den Vordergrund rückte. Auf Fragen der persönlichen Nihilismuserfahrung bei Heidegger antwortete Prof. Dr. Mark Michalski (Patras) in seinem Vortrag, als er unter dem Titel „Verwüstung und Schmerz“ Heideggers Auseinandersetzung mit seinem eigenen Denken im Horizont des Zweiten Weltkrieges skizzierte.
Den zweiten Konferenztag läutete Prof. Dr. Rosa Maria Marafioti (Bergamo) ein, die die Frage nach Gott in Heideggers Werk in den Vordergrund rückte und dabei deutlich machte: Auch wenn man ihn in Heideggers Denken nicht immer vermutet, so schwingt Gott implizit mit, als geheimnisvolles Nichts, das dem Sein Raum und Horizont zu geben vermag, um sich sinnhaft zu zeigen. Danach rückten praktische Fragen in den Vordergrund – wie ist das Verhältnis zwischen Heidegger und Politik zu bestimmen (Professorin Dr. Elvira Simfa aus Riga) und wie stellt Heidegger sich zu einem Denken, das Werte in den Vordergrund der Diskussion rückt (Prof. Dr. Lutz Ellrich aus Köln). Nach einer Mittagspause folgten Workshops, in denen Frau Marafioti, Frau Simfa und Herr Ellrich mit den Teilnehmenden ihre Vorträge vertieften und über konkrete Textstellen diskutierten. Nachdem Prof. Dr. Wenchao Li (Berlin) Brücken zwischen Leibniz, Heidegger und östlichem Denken schlug, rückte Prof. Dr. Raivis Bicevskis (Riga) das Thema einer Heimat im Anschluss an Martin Heidegger, Ernst Jünger und Kurt Stavenhagen in den Fokus – und zwar nicht bloß im Sinne einer geographischen Herkunft, sondern im Sinne einer existenziellen Heimat, die einen freien Selbst- und Weltentwurf ermöglicht und sich durch ein inniges Miteinander der anwesenden Personen auszeichnet. Im Abendvortrag knüpfte auch Prof. Dr. Werner Stegmaier (Greifswald) an Nietzsche an und versuchte Nietzsches und Heideggers Denken im Begriff der Orientierung zusammenzuführen – beide liefern Philosophien, die auf unser unhintergehbares Situation-Sein aufmerksam machen und gleichermaßen auf die Aufgabe, sich Anhaltspunkte zu schaffen und in den Sinnzusammenhängen der Situation zu orientieren.
Der letzte Konferenztag begann mit einem Vortrag von Prof. Dr. Constantino Esposito (Bari), der den Nihilismus als Chance präsentierte, das Sein wieder als Begehrenswertes zu erkennen und sich in ein inniges Verhältnis zu diesem zu setzen. Den Abschluss der Konferenz markierte eine Podiumsdiskussion, bei der das bunte Themen- und Teilnehmerfeld noch einmal eindrucksvoll zum Ausdruck kam. Diese internationale Konferenz bewies, dass Heideggers Art zu denken und zu fragen höchst aktuell ist und viele Zugänge erlaubt. Und sie zeigte, dass der Nihilismus als Position, die in ihrer radikalsten Form das Ausbleiben von Sinn postuliert, viel Sinn zu kreieren und Horizonte zu eröffnen vermag!
Matthias Ernst Bähr








