Zum Tod von Friedrich-Wilhelm von Herrmann
Ein großer Exeget philosophischer Grundpositionen und großartiger Lehrer ist am 02.08.2022 von uns gegangen. Er verstand es, den übergroßen Reichtum von Heideggers Schriften bis in einzelne Sätze und Wörter hinein auszulegen und verständlich zu machen. Viele seiner Schülerinnen und Schüler verdanken ihm ein präzises Achten auf das, was in einem Text steht und auch nicht steht. Der hohe Flug über die Texte hinweg und Auswendiglernen von kurzen Statements daraus waren ihm ein Graus. Mit nicht zu erschöpfender Energie hielt er uns Studenten an, eine Interpretation zu erlernen, die ihresgleichen auch heute noch, und oft vergeblich, sucht. Diese exakte phänomenologische Hermeneutik sah er nie allein in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung. Vielmehr vertraute er darauf, dass sie unser ganzes Leben, auch das berufliche, begleitete.
Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer erarbeitete er mit einem kleinen Kreis von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bände der Martin-Heidegger-Gesamtausgabe – eine wahre Herkulesaufgabe. In vielen Fällen waren seine Grundlagen die Manuskripte in Mikroschrift. Mittlerweile gibt es 100 veröffentlichte Bände. Die ihm eigene unendliche Geduld und Genauigkeit Texten gegenüber gab er an uns weiter.
Ein paar Lebensdaten, die öffentlich bekannt sind: Nach seinem Schulbesuch in Potsdam und Berlin studierte von Herrmann Philosophie, Germanistik und Geschichte an der Freien Universität Berlin. 1957 wechselte er an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er 1961 bei Eugen Fink mit einer Arbeit über Die Selbstinterpretation Martin Heideggers promoviert wurde. Nach seiner Promotion arbeitete er von 1961 bis 1970 als Wissenschaftlicher Assistent von Eugen Fink an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 1970 habilitierte er sich in Freiburg mit einer Arbeit über Phänomenologische Untersuchungen zur Temporalität des Seinsverständnisses. Von Herrmann war Privatassistent bei Martin Heidegger von 1972 bis zu dessen Tod 1976. Im selben Jahr wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1979 folgte eine ordentliche Professur an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seit 1999 war er emeritiert.
In den letzten Jahren veröffentlichte von Herrmann seine Vorlesungen über Augustinus, Leibniz, Immanuel Kant und Edmund Husserl.
Die Martin-Heidegger-Gesellschaft verdankt ihm eine wache, kritische, wissenschaftliche und persönliche Begleitung, auch in seiner Zeit als Stellvertretendem Vorsitzenden des Kuratoriums.
Klaus Neugebauer, Harald Seubert, Manuela Massa, in dankbarer Erinnerung